Ticket-System oder Anforderungsmanagement-Tool: Die Entscheidungshilfe
9.4.2025
8
Min. Lesedauer

Verwechslung der Werkzeuge führt zu ineffizienten Prozessen
Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Anforderungen effizient zu verwalten. Oft greifen sie dabei pragmatisch auf ein vorhandenes Ticket-System zurück oder suchen nach einem vermeintlich umfassenden Anforderungsmanagement-Tool, ohne genau zu analysieren, welche Anforderungen und Ziele sie tatsächlich verfolgen.
Die Folge: Das gewählte Werkzeug passt nicht zur tatsächlichen Aufgabenstellung, was zu ineffizienten, unübersichtlichen oder sogar kontraproduktiven Prozessen führt.
Typische Probleme aus der Praxis
- Ein Unternehmen nutzt ein Ticket-System wie Jira oder ServiceNow, um Anforderungen zu verwalten, doch es fehlt an grundlegenden Funktionen wie Hierarchien, Priorisierungen, Abhängigkeiten oder Variantenbildung. Die Folge: Anforderungen werden flach und unzusammenhängend erfasst, während strategische Zielverfolgung oder systematische Weiterentwicklung kaum möglich sind.
- Ein anderes Unternehmen führt ein vollumfängliches Anforderungsmanagement-Tool ein, obwohl die eigentliche Herausforderung nicht in der Anforderungsqualität, sondern in der teamübergreifenden Abstimmung und Bearbeitung einzelner Vorgänge liegt, also in etwas, das ein Ticket-System mit Workflows und Kommentarfunktionen deutlich effizienter abbilden könnte.
- Oft fehlt eine klare Trennung zwischen Bug-Tracking, Change Requests und strategischer Anforderungsentwicklung. Alles wird über das gleiche Tool verwaltet, ungeachtet dessen, dass diese Themen unterschiedliche Prozesse, Detaillierungsgrade und Beteiligte erfordern. Das führt zu Verwirrung, ineffizientem Informationsfluss und einem Mangel an Fokus.
Kurzum: Wenn Werkzeuge nicht zweckgerichtet eingesetzt werden, leidet die Klarheit sowohl in der fachlichen Ausarbeitung von Anforderungen als auch in der technischen Umsetzung und Abstimmung. Mitarbeitende arbeiten „am Tool vorbei“, relevante Informationen werden in Kommentaren versteckt oder gehen ganz verloren. Entscheidungen werden verzögert, die Qualität sinkt und das Vertrauen in den gesamten Prozess leidet.
Ticket-System vs. Anforderungsmanagement-Tool
Um die oben genannten Fehler zu vermeiden, lohnt es sich, zunächst die Grundlagen beider Systemarten zu verstehen. Denn nur wer weiß, wofür welches Werkzeug gemacht ist, kann eine fundierte Entscheidung treffen und Prozesse wirklich verbessern.
Was ist ein Ticket-System?
Ein Ticket-System dient in erster Linie dazu, Einzelanfragen, Probleme oder Aufgaben strukturiert zu erfassen und abzuarbeiten. Solche Systeme werden häufig im IT-Support, Kundendienst oder im Rahmen von Änderungsanforderungen (Change Requests) genutzt. Der Fokus liegt dabei weniger auf der strategischen Entwicklung von Anforderungen, sondern auf der schnellen, nachvollziehbaren Bearbeitung operativer Vorgänge.
Typische Merkmale eines Ticket-Systems:
- Tickets sind eigenständige Einheiten, die meist isoliert voneinander behandelt werden.
- Der Bearbeitungsfokus liegt auf Geschwindigkeit, Effizienz und Zuständigkeit.
- Tickets durchlaufen klar definierte Workflows (z. B. „Offen → In Bearbeitung → Gelöst“), häufig mit SLA-Tracking.
- Systeme bieten Kommentarfunktionen, Benachrichtigungen und Statusverfolgung zur Unterstützung der Kommunikation.
- Sehr gut geeignet für Bug-Tracking, Support-Anfragen, Task-Management oder operative Prozesssteuerung.
Beispiele für Ticket-Systeme: Jira Service Management, Zendesk, Freshdesk, OTRS
Für viele Unternehmen sind Ticket-Systeme ein wertvolles Werkzeug, aber eben für operative Aufgaben, nicht für strategisches Requirements Engineering. Sobald komplexe Zusammenhänge zwischen Anforderungen, Varianten oder Versionen ins Spiel kommen, stoßen Ticket-Systeme an ihre Grenzen.
Was ist ein Anforderungsmanagement-Tool?
Ein Anforderungsmanagement-Tool ist speziell dafür konzipiert, Anforderungen entlang des gesamten Lebenszyklus strukturiert zu erfassen, zu analysieren, zu verknüpfen, zu verwalten und nachzuverfolgen. Der Einsatz erfolgt typischerweise in der Software-, System- oder Produktentwicklung, wo Anforderungen nicht nur dokumentiert, sondern in einen methodischen Entwicklungsprozess eingebettet werden müssen.
Typische Merkmale eines RM-Tools:
- Anforderungen sind strukturiert, klassifiziert und in Hierarchien oder Kategorien organisiert (z. B. fachlich, funktional, technisch).
- Abhängigkeiten, Beziehungen und Rückverfolgbarkeit zu anderen Artefakten wie Zielen, Testfällen oder Systemkomponenten können dargestellt und analysiert werden.
- Änderungen, Versionen und Historien werden automatisch dokumentiert (inklusive Impact-Analysen).
- Unterstützt Freigabeprozesse, Rollenmodelle und Review-Workflows für eine qualitätsgesicherte Umsetzung.
- Integrierbar in Entwicklungs- und Testumgebungen (z. B. ALM- oder PLM-Systeme).
Beispiele für Anforderungsmanagement-Tools
Zu den etablierten Anforderungsmanagement-Tools zählen unter anderem reqSuite® rm, Jama Connect, IBM DOORS und Polarion.
Einen ausführlichen Vergleich der bekanntesten Tools findest Du hier.
Warum Jira und Confluence in dieser Liste fehlen? Das erklären wir Dir in diesem Artikel.
Anforderungsmanagement-Tools bieten damit eine ganz andere methodische Tiefe und Flexibilität als Ticket-Systeme. Sie unterstützen gezielt die Planung, Detaillierung, Verlinkung, Bewertung und Pflege von Anforderungen, die für eine qualitativ hochwertige und risikominimierte Produktentwicklung entscheidend sind.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Während Ticket-Systeme schneller und flexibler in der täglichen Bearbeitung sind, bieten Anforderungsmanagement-Tools eine tiefere Strukturierung und bessere langfristige Kontrolle über Anforderungen.

Wann ist welches System sinnvoll?
Die Entscheidung zwischen Ticket-System und Anforderungsmanagement-Tool hängt maßgeblich davon ab, welche Aufgaben Du lösen willst, wie komplex Eure Anforderungen sind und wie Eure Entwicklungsprozesse strukturiert sind. Es gibt kein „besser“ oder „schlechter“, sondern nur „passender“ je nach Zielsetzung.
Ein Ticket-System ist sinnvoll, wenn Deine Anforderungen überschaubar, voneinander unabhängig und weitgehend operativ sind. Wenn es Dir vor allem darum geht, einzelne Aufgaben, Änderungswünsche oder Fehler strukturiert zu erfassen und abzuarbeiten, und wenn der Fokus auf Bearbeitungsgeschwindigkeit, klarer Zuständigkeit und Workflow-Transparenz liegt. Auch dann, wenn Du keine komplexen Abhängigkeiten abbilden musst und bereits mit Tools wie Jira, Zendesk oder OTRS arbeitest, etwa im Support oder in DevOps-Teams.
Ein Anforderungsmanagement-Tool hingegen ist die bessere Wahl, wenn Du komplexe Produkte oder Systeme entwickelst, bei denen Anforderungen strukturiert, versioniert und analysiert werden müssen. Wenn Du Anforderungen mit Zielen, Testfällen oder Normen verknüpfen möchtest und dabei auf durchgängige Dokumentation und Rückverfolgbarkeit angewiesen bist. Gerade in regulierten Branchen oder in Projekten mit vielen Stakeholdern bietet ein solches Tool die nötige methodische Tiefe.
In vielen Fällen lohnt sich auch eine Kombination beider Werkzeuge: Während ein Ticket-System operative Aufgaben, Änderungsanfragen oder Bug-Reports kanalisiert, dient ein Anforderungsmanagement-Tool als methodisches Rückgrat der Anforderungsentwicklung. Wichtig ist dabei jedoch eine klare Rollenverteilung und idealerweise eine technische Integration zwischen den Systemen, um redundante Pflege oder Informationsverluste zu vermeiden.
Die richtige Entscheidung für Dein Unternehmen treffen
Ticket-Systeme und Anforderungsmanagement-Tools verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Auch wenn es in manchen Bereichen Überschneidungen gibt, bedienen sie grundsätzlich verschiedene Zielsetzungen. Ticket-Systeme sind darauf ausgerichtet, operative Aufgaben und Einzelanfragen schnell und effizient zu bearbeiten. Sie eignen sich ideal für Situationen, in denen es um unmittelbare Reaktion, einfache Workflows und klar abgegrenzte Vorgänge geht.
Im Gegensatz dazu bieten Anforderungsmanagement-Tools wie reqSuite® rm die Möglichkeit, Anforderungen systematisch zu erfassen, zu strukturieren, in Beziehung zu setzen und über den gesamten Projektverlauf hinweg konsistent zu pflegen. Gerade bei komplexeren Vorhaben mit vielen Beteiligten, variantenreichen Produkten oder regulatorischen Rahmenbedingungen ist dieser strukturierte Ansatz unerlässlich.
Die richtige Entscheidung hängt also stark davon ab, ob Dein Hauptziel in der schnellen Bearbeitung operativer Vorgänge liegt, oder ob eine methodisch fundierte und langfristig tragfähige Anforderungsentwicklung im Mittelpunkt steht. Wenn Du den Fokus auf Qualität, Nachvollziehbarkeit und Skalierbarkeit legst, profitierst Du erheblich von einem spezialisierten Anforderungsmanagement-Tool.
Möchtest Du herausfinden, wie reqSuite® rm Dein Anforderungsmanagement nachhaltig verbessern kann? Dann zeige ich es Dir gerne in einer unverbindlichen Live-Demo. Vereinbare jetzt einen Termin und erhalte einen direkten Einblick in die Funktionen und Vorteile.
Über den Autor

Dr. Sebastian Adam
Geschäftsführer & Mitgründer
Dr. Sebastian Adam beschäftigt sich seit über 20 Jahren intensiv mit Anforderungsmanagement. Sein Wissen und seine Erfahrung machen ihn zu einem anerkannten Experten, wenn es um die Herausforderungen und Best Practices in diesem Bereich geht. 2015 gründete er die OSSENO Software GmbH, um Unternehmen dabei zu helfen, ihr Anforderungsmanagement einfacher, effizienter und zukunftssicher zu gestalten. Mit reqSuite® rm, der von ihm entwickelten Software, hat er eine Lösung geschaffen, die Unternehmen dabei unterstützt, Anforderungen strukturiert zu erfassen, zu verwalten und nachhaltig zu verbessern. Sein Anspruch: Praxistaugliche Methoden und moderne Technologien zusammenbringen, um Unternehmen wirklich weiterzuhelfen.
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